+++ UPDATE 1: Halbe Antwort eines Mitarbeiters des Innenministeriums und Rückfrage bzgl der offenen Fragen
+++ UPDATE 2: Die Wiederholung der Nicht-Antwort
Liebe Leser, nach dem berauschenden Erfolg *hüstel* *räusper* meiner Anfrage an Axel E. Fischer, habe ich mich entschlossen, das mal beim baden-württembergischen Innenminister Heribert Rech zu versuchen, und schrieb eine Email an innenminister@im.bwl.de:
"Sehr geehrter Herr Innenminister Rech,
Ich möchte Sie auf diesem Wege zu Ihren Intentionen bezüglich des nächtlichen Verkaufsverbotes von Alkohol in Baden Württemberg befragen.
Frage 1:
Welchen Indikator werden Sie benutzen, um zu erkennen, ob dieses Verkaufsverbot ein Erfolg oder Misserfolg ist? Benutzen Sie dazu die Anzahl der Anzeigen wegen nächtlicher Ruhestörung oder andere Indikatoren? Wie sind die jetzigen Ausgangswerte der von Ihnen benutzten Indikatoren und in welchem Zeitraum müssen diese sich wohin bewegen, damit Sie es "erfolgreich" nennen?
Frage 2:
Wie hoch (prozentual) schätzen Sie die Zahl der Käufer, die sich auf dieses Verkaufsverbot einstellen und sich vor 22 Uhr mit Alkohol eindecken?
Frage 3:
Wenn das Gesetz nach einiger Zeit keinen Erfolg zeigt, gemessen an den Indikatoren aus Frage 1, werden Sie dann ein vollständiges Verkaufsverbot propagieren oder das Gesetz wieder aufheben?
Frage 4:
Wie viel Prozent der Probleme, die Sie damit verhindern wollen, werden von erwachsenen Menschen verursacht? Dies ist relevant, denn für Jugendliche macht das Gesetz keinen Unterschied, denn diese bekommen nach wie vor keinen Alkohol, zu keiner Uhrzeit.
Frage 5:
Welche Umsatzsteigerung erwarten Sie im Gastronomiebereich, für den Sie ja dann ein nächtliches Alkoholverkaufs-Monopol geschaffen haben?
Frage 6:
Sie schränken - prozentual gesehen zu Randalierern - vor allem erwachsene Menschen ein, die sich völlig gesetzestreu und rücksichtsvoll verhalten und dennoch nach 22 Uhr keinen Alkohol mehr erwerben dürfen. Wie vereinbaren Sie dieses Verkaufsverbot gegenüber dem Persönlichkeitsrecht?
Frage 7:
Planen Sie, die Verkaufsverbote auf andere Waren auszuweiten, die andere Menschen eventuell belästigen könnten, wie beispielsweise Tabak?
Frage 8:
Wenn die Antwort auf Frage 7 "nein" lautet: Warum nicht? Wo sehen Sie die Grenze, bei der eine Bevormundung erwachsener Menschen zu rechtfertigen ist und wo nicht?
Ich bedanke mich für Ihre Zeit und Mühe und verbleibe mit freundlichen Grüßen"
Da auch dieser Mann wieder ein
Update1.1: Halbe Antwort eines Mitarbeiters des Innenministeriums
"Vielen Dank für Ihre E-Mail vom 10. April 2010. Herr Innenminister Rech hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.
Nächtliche Alkoholgelage in der Öffentlichkeit sind häufig Ursache für Pöbeleien, Schlägereien und andere Gewalttaten. In vielen Kommunen haben öffentlicher Alkoholkonsum und die daraus resultierenden Probleme inzwischen ein Ausmaß angenommen, das nicht länger hingenommen werden kann.
Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik steht mehr als jeder dritte Erwachsene bei Gewaltdelikten unter Alkoholeinfluss. Bei Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren sind es sogar 40 Prozent. Besonders beunruhigend ist die Zahl der alkoholbedingten Widerstandshandlungen gegen unsere Polizeibeamtinnen und -beamten. Bei zwei von drei Widerstandsdelikten steht der Täter unter Alkoholeinfluss. Eine Hemmschwelle ist vielfach überhaupt nicht mehr vorhanden. Alleine diese Zahlen machen deutlich, dass akuter Handlungsbedarf besteht.
Mit dem Alkoholverkaufsverbot hat das Land die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Verfügbarkeit von Alkohol in den Nachtstunden einzuschränken. Auf diese Weise kann nächtlichen alkoholbedingten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im öffentlichen Raum wirksamer entgegengetreten werden. Dass das Gesetz in die Freiheitsrechte von uns allen eingreift, war uns bewusst. Diese Auswirkung ist jedoch im Hinblick auf das mit der Regelung verfolgte Ziel als unvermeidlich hinzunehmen.
Zu den von Ihnen befürchteten "Vorratskäufen" vor 22.00 Uhr möchte ich Ihnen mitteilen, dass nach Erkenntnissen der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren internationale Studien nachgewiesen haben, dass der Konsum alkoholischer Getränke insbesondere durch Verkaufsbeschränkungen sowohl zeitlicher als auch räumlicher Art effektiv reduziert werden kann. Auch das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim bestätigt, dass Studien, die spezifische Arten des Alkoholverkaufs untersucht haben, zu dem Ergebnis gekommen seien, dass Einschränkungen der Alkoholverkaufszeiten auf bestimmte Tageszeiten oder Wochentage zu einer Verringerung des Alkoholkonsums und den damit verbundenen Problemen führen können. Diese Effekte würden nicht durch vermehrte Einkäufe zu anderen Zeiten ausgeglichen. Die Tatsache, dass Einschränkungen der Alkoholverkaufszeiten zu einer Verringerung des Alkoholkonsums und der damit verbundenen Probleme führen können, ist darauf zurückzuführen, dass der Konsum alkoholischer Getränke nach wissenschaftlichen Erkenntnissen das Bedürfnis weckt, weiter zu trinken, wobei mit zunehmendem Alkoholgenuss zugleich die Gefahr eines Kontrollverlusts über die Trinkmenge steigt. Falls weitere alkoholische Getränke nicht verfügbar sind, wird in diesem Zustand jedoch kein größerer Beschaffungsaufwand betrieben, sondern der Konsum eher beendet. Die vom übermäßigen Konsum alkoholischer Getränke ausgehenden Gefahren können demnach verringert werden, wenn der Zugang zu diesen Getränken limitiert wird. Diese Befunde decken sich mit den Erfahrungen der Polizei, dass in den Abend- und Nachtstunden insbesondere junge Menschen sich trotz häufig begrenzter finanzieller Budgets Alkoholika in den – rund zur Hälfte – nachts geöffneten Tankstellen beschaffen, obwohl dort die Getränke im Vergleich zu Supermärkten und Discountern relativ teuer sind. Alkoholische Getränke werden in der Regel nur dann planvoll bevorratet, wenn beispielsweise eine Party oder ein Treffen vorher geplant wurde und nicht aus einem spontanen Entschluss heraus stimmungs- und bedürfnisorientiert gehandelt wird.
Abschließend möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Regelungen zum nächtlichen Verkaufsverbot für alkoholische Getränke spätestens drei Jahre nach dem Inkrafttreten evaluiert werden. Neben der Überprüfung der Wirksamkeit des Gesetzes hinsichtlich seiner Zielsetzung erfolgt die Evaluation auch im Hinblick darauf, ob das nächtliche Alkoholverkaufsverbot für Verkaufsstellen durch einen vermehrten Straßenverkauf durch Gaststätten unterlaufen wird. Die Ergebnisse bleiben zunächst abzuwarten.
Wir gehen jedoch davon aus, dass die neue Regelung überwiegend Akzeptanz finden wird, wenn sie sich bei den Bürgerinnen und Bürgern erst einmal verfestigt hat und sind überzeugt, dass unser Gesetz einen wichtigen Beitrag leistet, um die Sicherheit auf unseren Straßen zu erhöhen und den Alkoholmissbrauch einzudämmen.
Mit freundlichen Grüßen
Marc Frank
Innenministerium Baden-Württemberg
Landespolizeipräsidium
Referat 34 - Recht, Grundsatz, Öffentlichkeitsarbeit"
Update1.2: Meine Rückfrage zu den nicht beantworteten Punkten
"Hier noch die Fragen, die Sie leider unbeantwortet gelassen haben (ich ergänze sie, wo Ihre Antwort sie nur teilweise abgedeckt hat):
Frage 1:
Wie sind die jetzigen Ausgangswerte der von Ihnen benutzten Indikatoren und in welchem Zeitraum müssen diese sich wohin bewegen, damit Sie es "erfolgreich" nennen? Sie sprechen in Ihrer Antwort von "hinsichtlich seiner Zielsetzung", jedoch sehe ich das Ziel nicht definiert. Reicht es Ihnen womöglich, wenn nach 3 Jahren die nächtlichen Gewaltdelikte unter Alkoholeinfluss um einen einzigen Fall zurückgehen? Oder müssen es 10% sein? Oder etwas anderes?
Frage 3:
Wenn das Gesetz nach einiger Zeit (der Evaluationsphase von 3 Jahren) keinen Erfolg zeigt (das gesetzte Ziel nicht erreicht), werden Sie dann ein vollständiges Verkaufsverbot propagieren oder das Gesetz wieder aufheben?
Frage 5:
Welche Umsatzsteigerung erwarten Sie im Gastronomiebereich, für den Sie ja dann ein nächtliches Alkoholverkaufs-Monopol geschaffen haben?
Frage 7:
Planen Sie, die Verkaufsverbote auf andere Waren auszuweiten, die andere Menschen eventuell belästigen könnten, wie beispielsweise Tabak?
Frage 8:
Wenn die Antwort auf Frage 7 "nein" lautet: Warum nicht? Wo sehen Sie die Grenze, bei der eine Bevormundung erwachsener Menschen zu rechtfertigen ist und wo nicht? Ist die Grenze, wenn der Polizei Widerstand geleistet wird? Oder wenn Bürger Ruhestörungen melden?"
Update 2: Die Wiederholung der Nicht-Antwort
Die Fragen werden weiterhin nicht der Reihe nach beantwortet, sondern ein Gesamttext geschickt, der die fehlenden Antworten kaschieren soll.
Vor allem die Frage nach den jetzigen Zahlen bleibt völlig offen. Doch genau diese wären nötig, um später zu entscheiden, ob das Gesetz einen Erfolg gebracht hat, oder die Einschränkung unangemessen war. Ich vermute, daß hier einfach das Training fortgesetzt werden soll, damit sich die Bürger an die Einschränkung ihrer Freiheiten gewöhnen, der Erfolg ist dabei zweitrangig, wenn überhaupt relevant für das Innenministerium.
"Vielen Dank für Ihre E-Mail vom 17. April 2010. Auch wenn wir der Auffassung sind, dass wir Ihre Ausgangsmail vollumfänglich beantwortet haben, wollen wir jedoch gerne noch einmal kurz auf Ihre Fragen eingehen.
Ziel des Alkoholverkaufsverbotsgesetz ist es, alkoholbeeinflussten Straftaten und Ordnungsstörungen im öffentlichen Raum während der Nachtzeit entgegen zu treten sowie Gesundheitsgefahren zu begegnen, die mit einem übermäßigen Alkoholkonsum infolge des auch in den Nachtstunden jederzeit möglichen Erwerbs von Alkohol in Verkaufsstellen verbunden sind. Die Regelungen werden, wie bereits mitgeteilt, spätestens drei Jahre nach dem Inkrafttreten evaluiert. Die Ergebnisse bleiben zunächst abzuwarten, um eine Aussage treffen zu können, ob und, falls ja, welcher Änderungsbedarf besteht. Wir weisen in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hin, dass die Evaluation auch im Hinblick darauf erfolgt, ob das Verbot durch einen vermehrten Straßenverkauf durch Gaststätten unterlaufen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Marc Frank
Innenministerium Baden-Württemberg
Landespolizeipräsidium
Referat 34 - Recht, Grundsatz, Öffentlichkeitsarbeit"
Zumindest ist jetzt der Indikator genannt, nämlich die Zahl der "alkoholbeeinflussten Straftaten und Ordnungsstörungen im öffentlichen Raum während der Nachtzeit". Weiß jemand, woher man diese Zahlen bekommen könnte?
Zusätzlich wird angeführt, daß den Gesundheitsgefahren entgegengewirkt wird. Das ist interessant. Ich denke, wir werden dann doch später mal ein Verbot von Tabak sehen. Oder von fetten Nahrungsmitteln? Oder zu Zuckerhaltigen?
3 Kommentare:
Oh, jetzt muss ich mich unbeliebt machen, denn ich bin hier (wenn ich überhaupt auf einer Seite Stellung beziehe) eher auf der Seite von Herrn Frank/Rech (ich finde es eine Unsitte im Namen anderer zu antworten aber das scheint bei den Damen und Herren der Politik Usus zu sein und steht auf einem anderen Blatt).
Deine Sorge scheint mir ja primär zu sein, dass Du Deine Rechte als Konsument eingeschränkt siehst. Da kann ich Dir dann aber dasselbe Argument gegen den Kopf werfen wie Du dem Politiker: Mal angenommen der Edeka um die Ecke, der bisher bis 22.00 Uhr auf hatte schließt nun wieder um 20.00 Uhr, weil er herausgefunden hat, dass der Absatz in diesen zwei Stunden in keinem Verhältnis steht zu seinem Aufwand, empfindest Du Dein Persönlichkeitsrecht dann eingeschränkt?
Ich schätze dass Du mir nun sagst "das ist was anderes, es geht hier um ein Gesetz und nicht ein einzelne Entscheidung eines Händlers". Ja, das ist ein Argument. Allerdings befürworte ich den Versuch der Politik etwas zu unternehmen. Ich fühle mich nachts auf den Straßen manchmal unsicher und unwohl, wenn und weil alkoholisierte Menschen mit Kontrollverlusten und gesunkenen Hemmschwellen herumlaufen.
Das Alkoholverkaufsverbot würde, so sehe ich das in der Tat wie auch Herr Frank/Rasch in ganz überwiegendem Maße, wenn nicht sogar _nur_ die Menschen treffen, die bereits alkoholisiert ungeplanten Nachschub wollen. Beim Lesen der Erklärungen der Untersuchungen konnte ich nur die ganze Zeit nicken, denn in der Tat ist es so, dass der Konsum eher abgebrochen wird, als Anstrengungen zu verstärken, wenn es sich um bereits alkoholisierte Menschen handelt, die den Drang zum Weitertrinken daher haben, dass sie alkoholisiert sind.
Ich hatte diese Diskussion vor kurzem mit einem Freund, der selten bis gar nicht trinkt und absolut nicht verstehen konnte, wieso man weitertrinkt und nicht aufhört. Und aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen, dass es genauso ist wie in der Antwort beschrieben: Läuft eine Party oder ein spontanes Besäufnis und geht der Alkohol aus, werden die Beteiligten bald müde und beenden die Party. Ist für ständigen Nachschub gesorgt, geht es im Zweifelsfall solange weiter, bis Kontrollverluste oder Vergiftungen eintreten, die Beteiligten zusammenbrechen oder die Nacht vorbei ist und die Sonne aufgeht.
Dieses Verhalten ist so berechenbar, dass ich den Gedanken unterstütze, da aktiv gegen zu wirken. Welche anderen Maßnahmen scheinen Dir denn geeigneter? Bleibt zu fragen welche Persönlichkeitsrechte das denn beschneidet. Ich vermute, dass es wirklich kaum jemanden trifft, der nicht in einem Alkoholexzess steckt. Wer eine Party feiert deckt sich vorher ein, wer sich in einer Bar betrinkt bekommt eh weiter Alkohol.
Mit dem Argument Persönlichkeitsrecht könnte ich ebensogut fordern, dass ab sofort gesetzlich verankert wird, dass alle Ladengeschäfte auch am Sonntag geöffnet zu sein haben, weil ich es unmöglich finde, dass ich am Sonntag für wenige Stunden an ausgewählten Stellen Brötchen bekomme, nicht aber meine Flasche Wasser, Käse oder was ich sonst noch brauche. Auch dort muss ich vorher planen.
Bevor ich jetzt beginne selbst nochmal auf all Deine Fragen meinen Senf zu geben, warte ich einfach mal die Reaktion ab. Der Beitrag war nun lang genug ;)
Persönlichkeitsrechte sind betroffen, das ist ganz klar. Sowohl der Konsumenten als auch der Händler.
Der springende Punkt ist, daß es auch nach der ersten Antwort nicht klar ist, an was ein Erfolg festgemacht werden soll, welcher Wert ist hier der Indikator und wo liegt die Erfolgsschwelle.
Eine Einschränkung von Persönlichkeitsrechten muß gerechtfertigt sein. Ohne diese Informationen gibt es keine Rechtfertigung, ich habe bereits in den Fragen angedeutet, daß es sehr wohl auch sein kann, daß dem Gesetzgeber somit nur ein einziger Fall weniger (wovon auch immer, das weiß man ja nicht) reicht, um "Erfolg!" zu verkünden.
Die Gefahr ist, daß am Ende die Persönlichkeitsrechte für nichts und wieder nichts eingeschränkt wurden, Du immernoch nachts Angst haben mußt, weil die Zusammenhänge nicht so Stammtisch bierdunstig einfach sind ("Wie die saufen? Nehmt halt den Alk weg") und somit von der Salami der Freiheit wieder eine Scheibe runtergeschnitten wurde und keiner klebt sie wieder an.
Ich muss sagen, ich fand die Antwort des IM erstaunlich fundiert. So viele Quellen und Studien waren in der Gesetzesbegründung nicht zu finden. Ich denke aber der knackpunkt ist sicherlich ob es was wirkt. Grade die Delikte wie "Widerstand gegen Polizisten unter Alkoholeinfluss" z.b. dürften doch grösstenteils durch Partygänger und nicht durch Bushaltestellen- oder Heimtrinker passieren.
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