Das Sperrmurmeltier ist wohl das einzige Lebewesen, das noch widerstandsfähiger ist als Kakerlaken. Kakerlaken und Ameisen können einen weltweiten Atomkrieg überleben, aber ich bin mir sicher, das Sperrmurmeltier würde die Vernichtung der Milchstraße überleben.
Der Anlaß dieses Posts ist eine Diskussion mit Sperrbefürwortern auf rp-online.de. Und meinen Beitrag dort will ich einfach mal hier für die Nachwelt aufbewahren. Möge Google ihn für die Bewohner benachbarter Galaxien archivieren, damit sie sehen können, was vor der Vernichtung der Milchstraße hier noch so los war. Vielleicht können sie sich gegen das Sperrmurmeltier erwehren. Inhaltlich habe ich nichts gegenüber dem Originalbeitrag verändert, nur einige Formulierungen leicht verbessert und Erläuterungen eingefügt.
Niemals Zensurapparat mit Zensur und Sperre verwechseln
Leute, ihr dürft niemals den Aufbau eines Zensurapparates mit der Sperre eines illegalen Inhalts oder mit einer Zensur selbst verwechseln.
Hier geht es nicht darum, daß jemand kinderpornographisches Material wegen Freiheitsrechten im Internet lassen will, oder es sogar unter Meinungsfreiheit stellen würde. Das Sperren von Kinderpornographie ist niemals Zensur, kein einziger Gegner der Websperren hat dies jemals behauptet! Es geht allein um Technikfolgenabschätzung. Eine Abschätzung von Nutzen gegenüber Gefahr und Eingriffstiefe. Wie jeder inzwischen weiß (doch manche davon es absichtlich ignorieren), kann man die Sperren unglaublich einfach umgehen, jede Installation von WoW oder Firefox oder WinAmp ist wesentlich schwieriger! Wenn hier schon nur wegen einem Spiel ein Ottonormalbenutzer lernen kann, wie man Grafiktreiber in 30 Schritten sauber aus dem System kratzt, bevor man die neueste Version installiert, was würden Pädophile dann erst alles lernen um an ihre Droge zu kommen? Da ist die 30 sekündige Video Anleitung schneller gefunden und umgesetzt, als man braucht, um seinen PC neuzustarten. Das heißt, der Nutzen ist extrem gering. Aber dennoch vorhanden, wie die Befürworter immer sagen.
"Wenn auch nur EIIIHHHNER abgehalten werden kann"... hört man dann. Ja, genau, darum gehts. Wieviel ist es Euch wert, wenn auch nur ein Einziger abgehalten werden kann, das aufzurufen? Um den kriminellen Dreck rauszufiltern - und zwar nur für gefühlte zwei Pädophile, die zu blöd zum googlen sind - soll eine Abermillionen Euro teure Maschinerie aufgebaut werden, mit der man einfach ALLES filtern KANN. Eins ist klar: Die Versprechen wie "Wir machen das aber gaaanz sicher nur für Kinderpornographie" kann man einfach über den Harz treten. Die sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. So wie die Mautdaten missbraucht werden, die Einwohnermeldedaten missbraucht werden, DNA Samples zweckungebunden verwendet werden usw usf, nur weil sie eben existieren.
Sobald eine Technik existiert, wird sie vom Staat missbraucht. Das ist ein Fakt, das wurde in der Vergangenheit oft genug bewiesen. Und eine gehörige Anzahl Politiker hat bereits öffentlich kund getan, für was sie gerne alles die Zensurinfrastruktur benutzen wollen, sobald es sie gibt. Sie nennen das "Diskussion ohne Denkverbote". Legale Pornographie, Glücksspiel, Musikdownloads, Jugendschutz, der auch Erwachsene trifft und so weiter. Wie lange dauert es, bis es mehr wird? Bis etwas gesperrt wird, das Euch direkt betrifft? Die Gesetze schützen niemanden davor. Was Gesetze heute nicht erlauben, können sie morgen schon vorschreiben. Sogar wenn das Grundgesetz im Weg ist, wird zuerst dieses zu ändern versucht. Oder es wird einfach ignoriert. Erst wenn das dank engagierter Bürger vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert, wird zähneknirschend und lauthals schimpfend die Gesetzgebung verfassungskonform gestaltet. Aber auch nur grad so und in mehreren "Körben" wird dann scheibchenweise doch noch das volle Ziel erreicht. Bald gibt's ne Maßeinheit "neue Gesetze pro Woche". Seht doch nach China: Auch die gravierende politisch motivierte Zensur dort erfolgt ganz treu nach chinesischen Gesetzen. Daran sieht man doch, daß die lokalen Gesetze NICHT vor Technikmissbrauch schützen.
Update: Frankreich zeigt Euch grad, wie sowas aussieht: Internetprovider zu Sperren verpflichtet
Dann hör ich manchmal: "Was wollt ihr denn, wenn man das so einfach umgehen kann, machts doch nix.". Das Sperr-Gesetz schreibt keine Technik vor. Wenn wir das jetzt durchgehen lassen, dann kann die Technik jederzeit durch unüberwindliche Technik ausgetauscht werden. Dann ist es einfach einen fingierten Grund zu finden, eine missliebige Meinung aus dem Netz zu radieren. Ein kritisches Politikforum? Da hat doch sicher ein Teilnehmer mal ein Wort benutzt, das nicht geeignet ist für Jugendliche. Oder hier, dieser Forenspammer hat einen Link auf ein illegales Musikportal gepostet und der Moderator hat's nicht gesehen!
Dies ist es, was wir verhindern wollen. Wir wollen nicht für einen einzigen theoretischen Pädophilen, der dann seinen Film nicht mehr aus dem Internet holen kann, dem Staat einen Auslöser in die Hand geben, mit dem er danach eine Atombombe mitten in der Demokratie zünden kann.
Darüberhinaus ist bereits auch landläufig bekannt, daß die Anbieter dieser kriminellen Inhalte ohne weiteres automatisiert prüfen können, ob ihre Angebote auf der Sperrliste sind. Das bedeutet, sie können sich eine Email schicken lassen "Bald wird eine Ermittlung beginnen". Eine Polizei-Einheit, die eine Drogenrazzia plant, stellt auch nicht tags vorher ein Schild vor das Versteck der Dealer "Stop! Hier werden Drogen verkauft!". Warum wohl? Mit Sperren können die Täter ihre Spuren schön und unwiederbringlich verwischen. Beim Löschen kann man die Spuren (Logfiles etc) vorher einfrieren und wegsichern, und die Täter dann auch fassen!
Was auch bewiesen ist, aufgrund der Erfahrung anderer Länder, die das schon versucht haben: Die Sperrlisten können niemals geheim bleiben. Man kann sie sowohl mit technischen Mitteln als auch durch Informationsleaks früher oder später immer in die Finger bekommen. Und wenn die Listen geleaked sind, dann sind sie die Yellow Pages für Pädophile. Für die hiesigen, die die Sperre aushebeln, sowie für ausländische, bei denen nicht gefiltert wird. Denn eine Sperre ist nur ein Vorhang, der Dreck bleibt ja physikalisch vorhanden.
Wie schnell hingegen das Löschen gehen kann, haben auch schon genug Vereinigungen bewiesen. Jeder kann einem Provider in der ganzen Welt per Email sagen "Du, auf Deinem Server liegt Kinderpornographie. Würdest Du bitte die Logfiles sichern, den Auftritt löschen und die Daten Deiner Strafverfolgungsbehörde übergeben?". Das reicht völlig, die Provider wollen zu 99,999% das Zeug ja weg haben. Ein BKA könnte das ganz genauso machen, Juristen sehen durch die Bank kein rechtliches Problem damit. Das BKA mag aber nicht. Das ist einfach nicht bürokratisch korrekt genug. Ein BKA kennt keine freundlichen Hinweise mit Bitten, ein BKA kennt nur Forderungen mit Rechtsgrundlage, mit Drohungen und Belehrungen gespickt, so wie es sich für deutsche Behörden gehört. Klar, daß solche Schreiben an Provider im Ausland als Eingriff in die hoheitlichen Zuständigkeiten gesehen würde. Die Vehemenz, mit der das BKA nach den Sperren schreit, läßt auch legitim vermuten, daß hier auch zu größten Teilen Machtgelüste dahinterstecken.
Das BKA schickt also Forderungen mit Rechtsgrundlage stattdessen an die Strafverfolgungsbehörden der betroffenen Länder, und beschwert sich lauthals krakeelend, daß nach einer Woche nur 60% der Seiten gelöscht sind. Habt ihr schonmal versucht, dem BKA einen Brief oder ein Fax zu schicken? Wenn es nach einer Woche auf dem Schreibtisch des richtigen Bearbeiters liegt, dann habt ihr die Expressroute genommen. Wenn die russischen Behörden es schaffen, innerhalb einer Woche die Seiten zu löschen, dann ist das eine Geschwindigkeit, bei der deutsche Kriminalbeamte Herzrhythmusstörungen bekämen. AK Zensur, als völlig privater Arbeitskreis, läßt innerhalb 12 Stunden 60 Webseiten mit kinderpornographischem Material löschen. Und jede windige Hinterhofbank schafft es, eine Phishingseite innerhalb 4 Stunden weltweit stillzulegen.
Nur wegen gekränktem Stolz, ungestilltem Machthunger und dem geliebten Totreiten des bereits verwesenden Amtsschimmels wird vom BKA der beste und einfachste Weg gemieden, und damit die Täter geschont und geschützt, Kinderpornographie bleibt auf den Quellservern erhalten und bekommt einen dicken neuen Vorhang vor's Separee, hinter dem die Pädophilen ungestört sind vor der Entrüstung der Gesellschaft.
Dazu kann ich nicht "ja" sagen!
Update:
Nach etwas Recherche über die aktuellen Diskussionen in Foren und Kommentaren, muß ich ernüchtert zugeben, daß noch weitere sehr offensichtliche Gefahren von Websperren nicht klar zu sein scheinen. Der Vollständigkeit halber will ich sie hier auch listen.
Stoppschilder vor gekaperten Webseiten. Beispiel: In die Webseite eines angesehenen Kinderzahnarztes wird eingebrochen. In einem nicht dort verlinkten Unterverzeichnis wird kinderpornografisches Materiel hochgeladen und in den entsprechenden Kreisen werden die Links rumgesagt. Der Zahnarzt bemerkt davon garnichts, bis irgendwann die geheimen Links ans BKA herangetragen werden und diese sofort ein Stoppschild aufstellen, das die Seite wegen kinderpornografischem Material nicht erreichbar sei. Der Ruf des Zahnarztes ist auf immer ruiniert, er kann sofort seine Praxis schließen. Daß das nicht an den Haaren herbeigzogen ist, beweist uns Australien, da ist genau das nämlich so geschehen.
Stoppschilder vor Subdomainhostern: benutzername.wordpress.com, benutzername.blogspot.com usw usf. Das Sperrgesetz sperrt nur ganze Domains. Ist beispielsweise ein solcher Subdomain Account der Domain blogspot.com betroffen und wird eine Sperre gesetzt, dann ist jedes Blog von blogspot.com, auch dieses hier, nicht mehr erreichbar und angeblich wegen kinderpornografischem Material gesperrt.
Zahlendreher und Hörfehler: Wer sich die Abmahnungen wegen illegalem Musikdownload ansieht, dem fällt auf, daß sehr oft IP Adressen verdreht sind und Buchstaben verwechselt werden (großes O statt einer Null und ähnliches), da das BKA intern hauptsächlich mit Papier arbeitet, also immer wieder text gelesen und neu getippt wird. Viele bösartige Webseiten arbeiten genau mit diesem System, Domains zu registrieren, die bekannten Domains zum Verwechseln ähneln. Wie schnell wird da dann mal eine große rennomierte Seite mit einem Stoppschild versehen werden? Polizisten schaffen es bei Hausdurchsuchungen oft nicht einmal, die richtige Tür einzuschlagen, wieviel Sorgfalt werden sie dann bei "diesen komischen Internetz Domänen Namen" anwenden?
Weitere sinnvolle Beispiele füge ich hier gerne hinzu, einfach in den Kommentaren eintragen.
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